Beitrag vom 08.10.2009
Bürgermeister setzt auf Klage und fordert mehr Widerstand – Schünemann: Platz unverzichtbar
Von Steffen Burkert - Nordhorn. „Mit kleinen Protesten ist es nicht mehr getan. Da sind mir schon auch andere Mittel recht“, sagte Meinhard Hüsemann am Dienstagabend in einer Podiumsdiskussion des Norddeutschen Rundfunks (NDR). Er reagierte damit auf eine Ankündigung des Sprechers der Notgemeinschaft Nordhorn-Range, Detlef Rüger, der in derselben Runde gesagt hatte: „Wir wollen wieder aktiver werden, aber andere Formen des Protests wählen.“ Spektakuläre Besetzungen des Bombenabwurfplatzes wie in den 1970er Jahren seien nicht mehr zeitgemäß.
Im Grundsatz waren sich Hüsemann und Rüger mit den 60 Zuschauern während der Podiumsdiskussion im Saal Rammelkamp völlig einig: „Wenn die Bundeswehr auf den Schießplatz in Wittstock verzichten kann, dann muss auch Nordhorn-Range geschlossen werden.“
Der dritte Mann auf dem Podium, Oberstleutnant Markus Krammel, machte den Nordhornern jedoch wenig Hoffnung auf ein baldiges Aus für die Range. „Wenn das Parlament die Bundeswehr in Einsätze schickt, dann müssen Soldaten wie ich auch die Möglichkeit erhalten, sich darauf vorzubereiten“, erklärte der Sprecher der Luftwaffe. Und für den erforderlichen Übungsbetrieb sei Nordhorn-Range unverzichtbar.
Ähnlich argumentierte auch der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann in einem aktuellen Interview, das der NDR während der Sendung einspielte. Übungsmöglichkeiten müssten in Deutschland erhalten bleiben, der Bundesverteidigungsminister werde Nordhorn-Range daher nicht ganz schließen können, sagte der CDU-Minister. Die Landesregierung werde jedoch weiter Druck ausüben, dass Flüge auf ein Mindestmaß reduziert und Lasten gerechter verteilt werden. NDR-Moderator Hans-Jürgen Otte wertete diese Aussage als Kehrtwende der Landesregierung. Er erinnerte in der Sendung daran, dass Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) vor der Bundestagswahl noch gefordert habe, nach dem Verzicht auf ein Bombodrom in Wittstock nun auch Nordhorn-Range zu schließen.
Bürgermeister Meinhard Hüsemann äußerte die Vermutung, dass schon der Verzicht auf Wittstock nicht zufällig kurz vor der Wahl bekannt wurde. „Verteidigungsminister Jung wollte Wittstock öffnen, aber er konnte sich im Wahlkampf nicht gegen die Kanzlerin durchsetzen.“ In Nordhorn sei der Handlungsdruck seit dieser Entscheidung weiter gestiegen. „Wir haben ein Unternehmen in Klausheide, das sagt: Wenn jetzt auch noch ein Verkehrsflughafen Twente hinzukommt, dann müssen wir unseren Standort überdenken.“ Der Fluglärm verhindere Unternehmensansiedlungen, bedrohe Arbeitsplätze und hemme die Entwicklung Nordhorns als Tourismusstandort.
Lärm, Absturz-Gefahr, die Nähe zum Atomkraftwerk, Munitionsreste: Mehrere Bürger nutzten die Radiosendung, um zu berichten, welche Auswirkungen der Flugbetrieb auf ihren Alltag hat und welche Gefahren ihnen Sorgen bereiten. „Beim Begriff Lastenverteilung sträuben sich mir die Nackenhaare“, sagte eine Nordhornerin. „Wir müssen draußen Ohrenschützer tragen – das ist menschenverachtend, und das gilt überall.“ Auch andere Zuschauer forderten, die Notwendigkeit des militärischen Übungsbetriebs grundsätzlich zu überdenken. „Wozu ist es heute überhaupt noch erforderlich, mit Bomben um sich zu schmeißen?“, wollte eine Bürgerin wissen.
Konkrete Fragen stellten die Bürger vor allem dem Sprecher der Luftwaffe. Oberstleutnant Markus Krammel kennt sich vor Ort aus, als Tornado-Pilot hat er selbst schon die Range angeflogen. Er betonte auf entsprechende Nachfragen, dass das Übungsgelände nicht nur für den Tornado, sondern auch für den neuen Eurofighter geeignet sei. Nordhorn-Range bleibe für die Luftwaffe eine „reine Notwendigkeit“.
Bürgermeister Meinhard Hüsemann (SPD) nutzte die Radiosendung, um noch einmal eindringlich an die Menschen in der Region zu appellieren, jetzt massiv gegen den Bombenabwurfplatz mobil zu machen. Es sei zwar verständlich, dass Bürger, die sich seit Jahrzehnten vergeblich gegen die Range gewehrt hätten, nur noch schwer zu motivieren seien. Doch jetzt, nach der Wittstock-Entscheidung und mit der anhängigen Klage beim Verwaltungsgericht in Osnabrück (die GN berichteten mehrfach) sei ein Wendepunkt erreicht: „Wenn wir mit der jetzigen Klage keinen Erfolg haben, dann wird es für die Region ganz eng“, warnte der Bürgermeister. „Ich glaube nicht, dass wir die Range dann noch loswerden.“
Worum es in dem Gerichtsverfahren geht, fasste eine Zuschauerin während der Podiumsdiskussion so zusammen: „Gab es 2001 eigentlich eine rechtsstaatliche Prüfung – wie jetzt in Wittstock –, ob die Bundeswehr Nordhorn-Range von den Briten übernehmen darf?“ Eine Frage, auf die der Sprecher der Luftwaffe keine Antwort geben konnte oder wollte. Zu laufenden Verfahren äußere er sich nicht, erklärte Krammel.
Dass die Bundeswehr weiter mit Nordhorn-Range plant, wurde in der letzten Stellungnahme deutlich. Der Kommandant des Platzes, Oberstleutnant Paul Wolters, bestätigte, dass auf dem Gelände zurzeit ein neues Wach- und Feuerwehrgebäude gebaut wird.
Der NDR hat die Diskussion für seine Radiosendung „Jetzt reicht’s!“ aufgezeichnet. Gesendet wird das Gespräch heute ab 20 Uhr auf NDR 1 Niedersachsen.