Notgemeinschaft Nordhorn-Range

„Wir müssen zeigen, dass wir ,Nein’ sagen“

Beitrag vom 17.07.2009

Nordhorn will Range-Protest am „Runden Tisch“ bündeln – Auch Lingen fordert die Schließung

rm Nordhorn/Lingen. Nach dem Abrücken des Bundesverteidigungsministers von den Schießplatzplänen im Brandenburgischen Wittstock bei gleichzeitigem Festhalten an Nordhorn-Range bewegt immer mehr Fluglärmgegner in der Region ein Gedanke: „Sind die Menschen hier weniger wert als in Brandenburg?“ fragt etwa der SPD-Landtagsabgeordnete Gerd Will. Die neue Haltung des Verteidigungsministers habe „eine neue Geschäftsgrundlage“ geschaffen. Militärs und Minister hätten bisher stets von einer „gerechten Verteilung der Lasten“ gesprochen. Die sei schon in der Vergangenheit zweifelhaft gewesen, denn der einzige weitere Schießplatz im bayerischen Siegenburg sei so klein, dass dort „de facto kaum geflogen“ werde. Nachtübungen wie auf Nordhorn-Range seien dort grundsätzlich nicht erlaubt.

Nach dem Verzicht auf Wittstock gehe es nicht mehr um Gerechtigkeit, sondern um die Benachteiligung einer einzigen Region. Nordhorn sei faktisch der einzige Luft-Boden-Schießplatz in Deutschland. „Gelten die Argumente gegen Wittstock hier nicht, obwohl im Umfeld der Range viel mehr Menschen wohnen, obwohl auch hier der Tourismus gefährdet ist und obwohl hier mit Atomanlagen und Chemiebetrieben besondere Gefahrenquellen im unmittelbaren Umfeld gegeben sind?“

Für den SPD-Bundestagsabgeordneten Dieter Steinecke ist klar: Minister Jung ist mit dem Verzicht auf Wittstock, aber dem Willen, unbedingt an Nordhorn-Range festhalten zu wollen, wortbrüchig geworden. Er habe „den Grundkonsens über eine gerechte Verteilung der Lasten verlassen“. Das könne und werde die Region um die Range nicht hinnehmen.

Der Widerstand gegen den Luftwaffenschießplatz sei in der Region nach wie vor überall vorhanden, meint Nordhorns Bürgermeister Meinhard Hüsemann. Enttäuschte Hoffnungen, falsche Versprechungen und andauernde Frustrationen hätten die Menschen aber in ihrem „Nein“ zum militärischen Flugbetrieb leiser werden lassen. Gerade jetzt aber sei die Zeit, das „Nein“ zu Nordhorn Range lauter und sichtbarer zu zeigen.

„Wir werden schon kämpfen müssen, um nicht noch mehr Flugbetrieb hierher zu bekommen“, fürchtet Hüsemann. Noch immer habe im Bundesverteidigungsministerium niemand erklärt, wie Minister Jungs Äußerungen zu den künftigen Obergrenzen des Flugbetriebs zu verstehen seien. Hüsemann: „Erlaubt sind auf Nordhorn-Range 4000 Einsätze pro Jahr, geflogen wurden im vergangenen Jahr aber nur 1600. Welche Obergrenze meint der Minister?“

Noch schlimmer für die Region könnte es kommen, wenn auch noch der An- und Abflugbetrieb für einen neuen Flughafen bei Enschede dazukäme. „Dann bekommen wir hier auch noch den Krach der Urlauberjets“, fürchtet der Bürgermeister, „und zwar genau dann, wenn auf der Range Flugpause ist.“

Die Stadt Nordhorn will daher die Initiative übernehmen, um den Protest gegen den Schießplatzbetrieb neu aufzustellen und zu bündeln. An einem „Runden Tisch“ sollen demnächst alle zusammenkommen, die gegen den Flugbetrieb sind. „Dort müssen und werden wir überlegen, wie wir unser Nein klarer nach außen tragen.“ Hüsemann macht deutlich, dass die Menschen im Umfeld des Platzes nun gefordert sind. „Ich erwarte, dass jeder Verein, jede Gruppe und jede Organisation sich ihre Gedanken zum Thema macht.“ Das breite gesellschaftliche Nein der Region zu rechtsradikalen Umtrieben und ausländerfeindlichen Tendenzen habe gezeigt, wie geschlossen die Menschen hier ihren Protest vortragen könnten.

„Wir müssen auf dem Rechtsweg weiter Druck machen und uns dafür eventuell noch besser aufstellen“, so der SPD-Politiker Will in Anspielung auf die laufende Klage von Anrainergemeinden gegen den Range-Flugbetrieb. „Aber wir werden uns ausdrücklich nicht nur auf diesen Rechtsweg beschränken.“ Denkbar seien auch viele andere Formen des Protestes. Dieter Steinecke verweist auf das Wendland. Um Lüchow-Dannenberg kämpfe ein ganzer Landstrich seit Jahren gegen das Atommülllager Gorleben. Steinecke: „Dort begegnet man auf Schritt und Tritt dem ,Nein’ der Region – überall und jeden Tag.“

In das klare Nein zur Range und die Forderung nach Schließung des Schießplatzes hat sich inzwischen auch die Stadt Lingen eingereiht. Die große selbständige Stadt im Emsland steht nicht nur im Klageverfahren an der Seite von Nordhorn und der übrigen Range-Anrainergemeinden. Lingens Erster Stadtrat Dr. Ralf Büring hat gestern auch offiziell die Forderung der Emsländer nach „vollständiger Schließung des Übungsplatzes Nordhorn-Range“ bekräftigt.

Nachdem im brandenburgischen Wittstock nun endgültig kein Luft-Boden-Schießplatz mehr eingerichtet werde, müsse die Konsequenz aus den Äußerungen verschiedener Bundesverteidigungsminister der vergangenen Jahre die vollständige Schließung des Übungsplatzes Nordhorn-Range sein, so Büring. Kurzfristig müssten die Anflüge auf den Schießplatz deutlich reduziert werden.

„Wir haben grundsätzlich Verständnis für die Notwendigkeit, Übungsmöglichkeiten für NATO-Piloten vorzuhalten. Dies darf jedoch nicht zu Lasten einzelner Regionen gehen“, so Erster Stadtrat Büring. Seit vielen Jahren hätten die Verteidigungsminister eine gerechte Lastenverteilung auf die Übungsplätze in Wittstock, Siegenburg und Nordhorn angekündigt. „Die Gründe, die nun zur Aufgabe des Platzes in Wittstock führten, gelten ebenso für den Platz Nordhorn-Range.“